15. April 2025 | Millstätter Wirtschaftsgespräche 2025
Vom 9. bis 12. April 2025 verwandelten die Millstätter Wirtschaftsgespräche das Kongresshaus in Millstatt erneut in den wohl persönlichsten und wert(e)vollsten Treffpunkt der heimischen Wirtschaft. Rund 400 Gäste und 40 hochkarätige Speakerinnen und Speaker aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nahmen die zentrale Frage des Jahres 2025 in den Fokus: Wer trägt welche Verantwortung für unseren Wirtschaftsstandort? In einem dichten Programm mit Panels, Dialogformaten und abendlichen Netzwerk‑Sessions kristallisierte sich rasch ein gemeinsamer Befund heraus: Verantwortung lässt sich nicht delegieren – sie beginnt bei uns allen.
Der Anlass für diese Diskussionen könnte aktueller kaum sein. Während der staatliche Einfluss kontinuierlich wächst und die Erwartungen an „den Staat“ steigen, schwächelt die europäische Wirtschaft spürbar. Gesellschaftliche und persönliche Ansprüche an Eigenverantwortung, Freiheit und Fürsorge prallen aufeinander, während auf globaler Ebene neue Handelsrisiken entstehen – allen voran der von US‑Präsident Donald Trump entfachte Zollkonflikt. Vor diesem Hintergrund debattierten die Teilnehmer darüber, wie eine zukunftsfähige Verantwortungskultur aussehen kann, die Freiheit, Verantwortung und Verteilung in eine dynamische Balance bringt.
Auf der Bühne zeigten sich unterschiedliche Akzente, aber auch erstaunliche Schnittmengen. Der ehemalige deutsche Bundesminister Andreas Scheuer betonte, wir stünden nicht vor einer neuen Weltwirtschaft, sondern vor einer anderen Weltordnung, in der man mit Dealmaker Trump arbeiten müsse. Sein Plädoyer für sofortige Nullzölle und rasche Freihandelsabkommen mit Asien unterstrich er mit der Warnung, Europa dürfe nicht zum „Museum“ verkommen. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, zeichnete ein Bild, in dem Europa sehr agil agieren müsse – mit einem Plan B und C in der Tasche –, und sprach sich für eine Mischform in der Zollfrage aus; die gegenwärtige „Zollpause“ solle als Weckruf genutzt werden, um parallel Handelsabkommen wie Mercosur voranzutreiben. Alfred Gusenbauer wiederum prognostizierte, Trumps Politik werde in einem Desaster für die USA enden und deren Abstieg beschleunigen; das eröffne Europa jedoch die Chance auf eine Neuordnung, vorausgesetzt, man reduziere überbordende Regulierungen und setze stärker auf Leistungsbereitschaft.
Trotz der konträren Positionen verband die Diskutierenden eine zentrale Einsicht: Für eine zukunftsverträgliche Entwicklung braucht es keine starren Zuständigkeiten, sondern ein Zusammenspiel von Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Individuum. Handel wurde dabei als Verantwortung ebenso definiert wie als Chance – angefangen bei umfassenden Freihandelsabkommen bis hin zu mutigen, eigenständigen Entscheidungen Europas, um nicht bloß Zuschauer der „anderen Weltordnung“ zu sein.
Abseits der Podien sorgten das See‑Panorama und die entspannte Atmosphäre dafür, dass die Gespräche in den Pausen mindestens so intensiv waren wie auf der Bühne. Partner und Freunde des SENAT DER WIRTSCHAFT nutzten die Gelegenheit, um Brücken zwischen Branchen, Generationen und Ideologien zu schlagen. Genau diese Mischung aus persönlicher Nähe, werteorientiertem Dialog und fachlicher Tiefe macht die Millstätter Wirtschaftsgespräche einzigartig.
Die vier Tage in Millstatt endeten mit einem klaren Auftrag: Verantwortung beginnt bei jedem und jeder Einzelnen und muss im Alltag gelebt werden – in Unternehmen, Institutionen und persönlichen Entscheidungen gleichermaßen. Ob Europa die aktuelle „Zollpause“ nutzt, um seine strategische Handlungsfähigkeit zu stärken, wird sich bis zu den MWG 2026 zeigen.