VORSCHLAG FÜR DIE DRINGEND NÖTIGE UND NACHHALTIGE REFORM DES AIFM-GESETZES

Der SENAT DER WIRTSCHAFT richtet mit diesem PLÄDOYER einen Appell an die Bundesregierung der Republik Österreich und an die zuständigen Ministerien – insbesondere an das Bundesministerium für Finanzen und Bundesminister Hartmut Löger – sowie an den Nationalrat, das bestehende AIFM-Gesetz (Alternative Investment-Fonds Manager-Gesetz)anzupassen.

Wir unterbreiten diesen Vorschlag, weil die Zugangshürden für PrivatanlegerInnen liberalisiert werden müssen, damit möglichst ALLE Österreicherinnen und Österreicher von dieser Möglichkeit der finanziellen Absicherung Gebrauch machen können. Durch eine Liberalisierung kann Österreich im europäischen Vergleich aufschließen und mittelständischen Unternehmen die gleichen guten Zugangsmöglichkeiten zu Kapital und Expertise von Private-Equity-Fonds gewährleisten, wie dies im Ausland bereits der Fall ist.

Der damit zu erzielende wirtschaftspolitische Effekt: Die Vermeidung der Abwanderung von Unternehmen – und damit von zukunftsrelevanten Arbeitsplätzen – in Länder mit besseren Rahmenbedingungen sowie die Attraktivierung Österreichs als Kapital- und Finanzplatz im internationalen Wettbewerb.

ZUSAMMENFASSUNG

Die Finanzierung mittelständischer Unternehmen mit privatem Beteiligungskapital (Private Equity) ist in Österreich im europäischen Vergleich sehr schwach ausgeprägt. Der prozentuelle Anteil Private-Equity-finanzierter Unternehmen am BIP zeigt folgendes:

  • Im Frühphasen-Segment (Neugründungen und Start-ups) kommt Österreich auf immerhin zwei Drittel des europäischen Durchschnitts.
  • Bei bereits etablierten, mittelständischen Unternehmen liegt diese wichtige Finanzierungsform mit einem Zehntel des durchschnittlichen Anteils in Europa weit zurück.1

Der österreichische Mittelstand – das Rückgrat unserer Wirtschaft – hat es offensichtlich deutlich schwerer, durch Private-Equity-Fonds unterstützt zu werden. Dazu gehören neben Kapital auch Marktexpertise, Branchen-Know-how und Erfahrung der Private-Equity-ManagerInnen. Fehlen diese Finanzierungs-möglichkeiten mit dem Zugang zur wertvollen Expertise, bleiben Innovationen und die Entwicklung von Zukunftstechnologien unter Umständen aus. In der Folge wandern Unternehmen inkl. der von ihnen geschaffenen zukunftsorientierten Arbeitsplätze häufig in Länder ab, in denen das Finanzierungsumfeld deutlich besser ist.

WIE IST DIESES DEFIZIT ENTSTANDEN?

Ein ausschlaggebender Grund ist die in Österreich etablierte strenge Umsetzung der EU-Richtlinie zur Regulierung der Alternativen Investmentfondsmanager (AIFM) in Form des österreichischen AIFM-Gesetzes seit Sommer 2013. Es untersagt dem Großteil österreichischer PrivatanlegerInnen die ergänzende Altersvorsorge und den Vermögensaufbau durch die Nutzung von Private-Equity-Dachfonds und Unterneh-mensbeteiligungen in Form von Alternativen Investmentfonds (AIF).

DIE AUSWIRKUNGEN

  • Das jährlich neuinvestierte Kapital in diese Fonds ist nach Umsetzung des Gesetzes auf ein Zehntel des vorherigen Niveaus eingebrochen, die Private-Equity-Investitionen in österreichische Unternehmen haben sich gleichzeitig halbiert.2
  • Investitionen in Dachfonds und damit die risikogestreute Anlage in mittelständische Unternehmen sind heute nur noch einer finanzstarken Minderheit zugänglich.
  • Das finanzielle Erstarken der großen Mehrheit an PrivatanlegerInnen wird hingegen erschwert, obgleich die finanzielle Absicherung für das Pensionsalter hier ungleich wichtiger ist.
  • Durch den erschwerten Zugang (wie oben aufgeführt) fehlt zudem wichtiges Kapital für Unternehmen.

FEHLGELEITETES ARGUMENT ANLEGER/INNEN-SCHUTZ

Gerade vor dem Hintergrund des Alternativ-Finanzierungs-Gesetzes (AltFG) verliert das Argument des AnlegerInnenschutzes als Grundlage für die strenge Umsetzung des AIFMG seine Argumentationskraft. Denn auf der Grundlage des AltFG dürfen PrivatanlegerInnen per Crowdfunding bereits mit Kleinbeträgen in ein einzelnes Unternehmen investieren und sind somit von der Entwicklung eines einzelnen Anlageobjekts abhängig.

Ein Private-Equity-Dachfonds hingegen, der mit breiter Streuung die Verlustrisiken minimiert, weil er z.B. über mehrere Private-Equity-Fonds in über hundert bereits etablierte Unternehmen investiert, ist denselben PrivatanlegerInnen nicht erlaubt.

Dabei sollten jedoch gerade Anlagelösungen mit risikominimierenden Konzepten für die in der Regel vergleichsweise unerfahreneren PrivatkundInnen geeigneter sein – insbesondere dann, wenn es um das häufigste Ziel der privaten Geldanlage geht – die ergänzende Altersvorsorge. Zudem ist für Crowdfunding keinerlei Zulassung nötig. Die Anbieter von Private-Equity-Dachfonds hingegen sind voll konzessioniert und unterliegen strenger Aufsicht.

Wir fordern daher, die Regelungen in Bezug auf Private-Equity-Dachfonds im AIFMG hinsichtlich der Zugangshürden für Privatanleger zu liberalisieren.

Das Ziel: Möglichst ALLE Österreicherinnen und Österreicher sollen von dieser Möglichkeit der finanziellen Absicherung Gebrauch machen können, durch eine Liberalisierung im europäischen Vergleich aufschließen und mittelständischen Unternehmen die gleichen guten Zugangsmöglichkeiten zu Kapital und Expertise von Private-Equity-Fonds gewährleisten, wie dies im Ausland bereits der Fall ist.

DETAILINFORMATIONEN

Aktueller Stand der Gesetzeslage

Die wichtigen Investitionen von PrivatanlegerInnen in Private Equity in Form von Dachfonds nach dem AIFM-Gesetz, also mit einer Streuung über mehrere Private-Equity-Fonds und damit in eine Vielzahl von Unternehmen, ist eingeschränkt. Die Möglichkeiten der Investition gestalten sich aktuell wie folgt:

  • Qualifizierte PrivatkundenInnen“ können ab einer Mindestanlagesumme von € 100.000,- anlegen, sofern es sich um max. 20 % ihres gesamten Finanzinstrument-Vermögens handelt.
  • „Normale“ PrivatanlegerInnenkönnen ebenfalls ab einer Mindestanlagesumme von € 100.000,- anlegen, sofern sie nachweisen können, dass sie bereits vier Jahre Erfahrung mit der Veranlagung in Finanzinstrumente haben.

Beide Zugangshürden schließen den Großteil der klassischen Privatkunden heute aus.

  • Im Jahr 2017 wurde eine Gesetzesnovelle erarbeitet, die noch nicht in Kraft getreten ist, die nicht-qualifizierten PrivatkundInnen die Investition ab € 10.000,- ermöglicht hätte. Dazu müssten sie allerdings ebenfalls € 100.000,- unbelastetes Vermögen nachweisen können.
  • Das Inkrafttreten dieser Novelle liegt derzeit in der Hand der Europäischen Kommission. Sie hätte allerdings keine signifikanten positiven Auswirkungen.

Internationaler Vergleich

In Deutschland etwa wurde die EU-Richtlinie im Sinne der heimischen Wirtschaft und der AnlegerInnen ausgelegt. Sie dürfen bereits mit Kleinbeträgen in Private-Equity-Dachfonds investieren, sofern diese „risikogemischt“ sind, also in mindestens drei Sachwerte investieren, oder wirtschaftlich betrachtet das Ausfallsrisiko streuen (§261 ff. KAGB). Dies ist bei Private-Equity-Dachfonds immer der Fall.

Wirtschaft stärken | Vermögensaufbau für ALLE

Der österreichische Mittelstand muss stärker von Private Equity profitieren können. Gleichzeitig ermöglichen die notwendigen und hier angeregten Änderungen den Zugang zu Private-Equity-Dachfonds für ALLE Bürgerinnen und Bürger.

WIR FORDERN DAHER DIE FOLGENDEN ANPASSUNGEN, DURCH DIE ZUGANGSHÜRDEN ABGEBAUT WERDEN: 

  • Eine einfache Schwelle von € 10.000,- ohne Nachweis-Notwendigkeit eines zusätzlichen frei verfügbaren Vermögens.
  • Die derzeitige Forderung nach vier Jahren Erfahrung bei der Veranlagung in Finanzinstrumente muss gestrichen werden.Die aktuelle Regelung setzt voraus, dass PrivatanlegerInnen bereits Erfahrung mit ggf. deutlich riskanteren Anlageformen gemacht haben. Private-Equity-Dachfonds bieten sich jedoch gerade aufgrund der breiten Risikostreuung für EinsteigerInnen ohne Erfahrung mit Investitionen in Unternehmen mit deutlich höherer AnlegerInnen-Sicherheit an.

WIR FORDERN FOLGENDE ANPASSUNGEN DER REGULARIEN BEI FONDS-STRUKTUREN:

 

  • Aktuell werden bestimmte Unternehmen von der möglichen Private-Equity-Finanzierung ausge-schlossen. Ebenso beschränken Vorgaben derzeit eine sinnvolle Diversifikation in den Private-Equity-Dachfonds.
  • Für Private-Equity-Dachfonds sollte ebenfalls die Streuung über mindestens fünf statt bisher zehn Ziel-AIF als genügende Diversifikation festgelegt werden. Bei den Regelungen zu AIF mit dem Investitionsziel der Unternehmensbeteiligungen hat der Gesetzgeber bereits anerkannt, dass eine Streuung über fünf Objekte ausreichend ist. Jeder Ziel-AIF beteiligt sich wiederum an mehreren Zielunternehmen, so dass eine adäquate Streuung gewährleistet ist. Eine höhere Vorgabe hätte zur Folge, dass etwa bei einem Fonds mit Fokus auf den österreichischen Markt nahezu alle vorhandenen Private-Equity-Fonds ausgewählt werden müssten. Für den Wettbewerb wäre das kontraproduktiv.
  • DieBeschränkung auf nicht-börsennotierte Unternehmen muss gestrichen werden. Derzeit ist die Finanzierung kleinerer, mittelständischer Unternehmen abseits der Börsenplätze vorgesehen. Allerdings machen AIF-Manager mitunter Gebrauch vom sogenannten „Delisting“, das heißt, sie nehmen Unternehmen zwecks Weiterentwicklung oder Sanierung von der Börse.
  • Die Möglichkeit einer mittelbaren Investition muss ermöglicht werden. Eine branchenübliche Gestaltung von Private-Equity-Dachfonds ist, dass sich der Dach-AIF für Privatkunden an einem weiteren Dach-AIF beteiligt – selbstverständlich ohne weitere Kosten. Hier wird dann die Privatkundentranche parallel zu den Geldern von klassischen institutionellen InvestorInnen angelegt. Diese Modelle können wegen des höheren Fondsvolumens eine besonders sinnvolle und breite Streuung sicherstellen.

Zusammenfassung der Anpassungsauswirkungen

Der hier vorgelegte Anpassungsvorschlag zum AIFMG bewirkt folgende positive Auswirkungen:

  • Bessere Finanzierungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für den etablierten Mittelstand.
  • Gleichbehandlung der österreichischen Bürgerinnen und Bürger.
  • Zugang zu risikogestreuten Möglichkeiten der finanziellen Absicherung wird ermöglicht.
  • Der bestehende Zugang zu unregulierten Angeboten wird durch streng überwachte und voll konzessionierte Anlagelösungen ergänzt.

AN ALLE ABGEORDNETEN ZUM NATIONALRAT DER REPUBLIK ÖSTERREICH SOWIE AN DEN BUNDESMINISTER FÜR FINANZEN, HERRN HARTWIG LÖGER

Der SENAT DER WIRTSCHAFT bekennt sich zu folgender Handlungsempfehlung:

  • Verankerung einer einfachen Schwelle von € 10.000,- ohne weitere einschränkende Regularien.
  • Streichung der derzeitigen Forderung nach vier Jahren Erfahrung bei der Veranlagung in Finanzinstrumente.
  • Festlegung der Streuung über mind. fünf statt bisher zehn Ziel-AIF als genügende Diversifikation.
  • Streichung der Beschränkung auf nicht-börsennotierte Unternehmen.
  • Ermöglichen mittelbarer Investition durch Beteiligungen eines Dach-AIF an weiteren Dach-AIFs.

 

Wien, 1. März 2019

Für den SENAT DER WIRTSCHAFT Österreich

  • Hans Harrer | Vorstandsvorsitzender
  • Dr. Johannes Linhart | Geschäftsführer, MITTELSTANDS-ALLIANZ

Weitere Informationen

Für zusätzliche und ergänzende Informationen zu diesem PLÄDOYER sowie über den SENAT DER WIRTSCHAFT und seine Aktivitäten, wenden Sie sich bitte direkt an:

  • Johannes Linhart | Geschäftsführer, MITTELSTANDS-ALLIANZ des SENAT DER WIRTSCHAFT Österreich
  • j.linhart@senat.at | +43-664-819 16 66

Dieses PLÄDOYER basiert auf Inputs von

  • Horst Güdel | Vorstand, RWB Group AG
  • Mag.a Birgit Schmolmüller | RWB Private Capital (Austria) GmbH
  • Dr. Rudolf Kinsky | Präsident, AVCO – Austrian Private Equity & Venture Capital Organisation

Quellen

  1. Invest Europe, 2017: European Private Equity Activity – Statistics on Fundraising, Investments & Divestments https://www.investeurope.eu/media/711867/invest-europe-2017-european-private-equity-activity.pdf
  2. Invest Europe, 2016: PEREP Analytics I AVCO https://avco.at/daten-fakten/entwicklung-oesterreich/